POL-S: Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe - Zweigstelle Pforzheim - Polizeieinsatz am 23.10.2021 in Pforzheim -
- veröffentlicht am 20.05.2022 09:05 Uhr
- Polizeibericht
Stuttgart/Pforzheim (ots)
Ermittlungsverfahren wegen nicht ausschließbarer Rechtmäßigkeit der auf kursierenden Videos sichtbaren Handlungen eingestellt
Am 23.10.2021 kam es auf dem Pfälzerplatz in Pforzheim zu einem Polizeieinsatz, bei dem ein 25-jähriger Mann durch Polizeibeamte am Boden fixiert wurde, wobei es insbesondere auch zu mehreren Faustschlägen gegen den Mann durch zwei Polizisten kam.
Im Anschluss an den Polizeieinsatz verbreiteten sich über die sozialen Medien sowie anschließend über die regionalen und überregionalen Medien zwei Videosequenzen, die aus verschiedenen Perspektiven jeweils einen Ausschnitt des betreffenden Einsatzes zeigen. Keine der zu dem Vorfall kursierenden Videoaufnahmen lässt erkennen, was den dargestellten polizeilichen Handlungen vorausgegangen ist und wie sich der 25-Jährige im Vorfeld verhalten hat. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe - Zweigstelle Pforzheim - hatte in Anbetracht der fraglichen Videosequenzen ein Ermittlungsverfahren gegen vier Polizeibeamte wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet. Das Verfahren richtete sich dabei gegen die beiden Polizeibeamten, die ausweislich der Videosequenzen Schläge gegen den 25-Jähigen ausgeführt haben, sowie gegen zwei Polizeibeamtinnen, die den 25-Jährigen währenddessen fixierten.
Gemäß § 170 Abs. 1 der Strafprozessordnung erhebt die Staatsanwaltschaft jedoch nur dann öffentliche Klage, wenn den Beschuldigten die Tat und insbesondere auch deren Rechtswidrigkeit mit einem Grad der Gewissheit nachweisbar sind, der die Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheinen lässt (sog. hinreichender Tatverdacht). Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung.
Die von der Kriminalpolizei Stuttgart unter Leitung der Pforzheimer Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen, welche neben der Vernehmung sämtlicher bekannter Augenzeugen unter anderem auch eine Wohnungsdurchsuchung beim Urheber einer der Videosequenzen umfassten, haben einen solchen hinreichenden Tatverdacht nicht ergeben.
Zwar stellen Schläge gegen den Kopf oder gegen den Körper auch dann grundsätzlich strafbare Körperverletzungen dar, wenn sie durch Polizeibeamte verübt werden. Vorliegend war, da anderes nicht erweislich war, im Zweifel zugunsten der involvierten Polizeibeamten davon auszugehen, dass ihre Handlungen, d.h. sowohl die Schläge, als auch die Fixierung des 25-Jährigen am Boden, als Anwendung sogenannten unmittelbaren Zwangs rechtmäßig und damit nicht strafbar waren.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei der 25-Jährige in deutlich alkoholisiertem Zustand am Pfälzerplatz angetroffen worden, wo er eine Personengruppe belästigt habe, sodass jeden Moment eine körperliche Auseinandersetzung zu befürchten gewesen sei. Trotz Aufforderung habe der 25-Jähreige weder einen Ausweis vorgezeigt noch seine Personalien angegeben. Stattdessen habe er mehrfach versucht, sich der polizeilichen Kontrolle durch Weggehen zu entziehen, woraufhin ihm die Ingewahrsamnahme und die Anwendung von Zwang angedroht worden sei.
Wegen andauernder und der sich daraus speisenden Befürchtung weiterer Widerstandshandlungen habe sich die Polizei letztlich entschlossen, ihm im Rahmen der Ingewahrsamsnahme nunmehr Handschließen anzulegen. Dagegen habe der 25-Jährige massiven Widerstand geleistet, im Rahmen dessen er derart nach einem Beamten griff, dass ein Zugriff auf die Dienstwaffe des Beamten befürchtet worden sei. Da der Beamte mit der linken Hand noch die rechte Hand des 25-Jährigen am Boden habe fixieren müssen, sei es dem Polizeibeamten allein mit seiner rechten Hand nicht gelungen, den Griff zu lösen. Aus diesem Grunde habe er dem 25-Jährigen mangels Alternativen Schläge auf den Kopf versetzt, um den Widerstand zu brechen und die Gefahr abzuwenden, dass der 25-jährige die Dienstwaffe ergreife und sich eine nicht mehr kontrollierbare Eskalation der Gewalt ergebe.
Die beteiligten Polizeibeamten haben sich übereinstimmend dahingehend eingelassen, dass der 25-Jährige trotz Hinzukommens weiterer Polizisten weiterhin erheblichen gewaltsamen Widerstand geleistet und nicht nur versucht habe, das Anlegen von Handschließen durch aktive körperliche Gegenwehr zu verhindern, sondern auch eine der beteiligten Polizeibeamtinnen gewaltsam und schmerzhaft an der Hand gepackt und diese fixiert habe. Zur Überwindung des Widerstandes seien die Schläge gegen den Rücken- und Schulterbereich geführt worden, woraufhin der 25-Jährige losgelassen habe und man ihm Handschließen habe anlegen können.
Die Schilderungen der involvierten Polizeibeamten sind unter Berücksichtigung aller Zeugenaussagen und der Auswertung der Videosequenzen nicht zu widerlegen. Insoweit haben auch die unbeteiligten Zeugen übereinstimmend bestätigt, dass der 25-Jährige im Vorfeld des in der Videosequenz sichtbaren Geschehens den Anweisungen der Polizeibeamten nicht nachgekommen sei, sondern die Arme wiederholt hochgerissen und aufbrausend reagiert habe. Zu den Einzelheiten des Widerstandes konnten die Zeugen keine die Einlassungen der Polizeibeamten widerlegenden Angaben machen.
Der 25-Jährige selbst gab an, sich infolge erheblichen Alkoholgenusses nicht mehr an das fragliche Geschehen erinnern zu können.
Damit waren auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen die zuletzt gesetzten Schläge nicht nur von der Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Ingewahrsamnahme umfasst, sondern zudem durch Notwehr, bzw. Nothilfe gerechtfertigt.
Dass der Einsatz der Zwangsmittel den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der konkreten Situation verletzt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Der Einsatz z.B. von Pfefferspray kam wegen der damit verbundenen Gefährdung der anwesenden Polizeibeamten ersichtlich nicht in Betracht. Dafür, dass die Schläge das zur Brechung des Widerstandes erforderliche Maß nicht überstiegen, spricht insbesondere der Umstand, dass der 25-Jährige selbst nach sechs Faustschlägen seinen Widerstand noch nicht aufgab, sondern sich gegen das Schließen weiterhin dadurch zur Wehr setzte, dass er mit seiner noch freien rechten Hand die Finger einer Polizeibeamtin schmerzhaft zusammendrückte.
Soweit der 25-Jährige durch einen der Polizeibeamten in der betreffenden Videosequenz deutlich hörbar beleidigt wurde, hat der Geschädigte den für eine Strafverfolgung zwingend erforderlichen Strafantrag nicht gestellt. Eine Beleidigung kann nicht von Amts wegen verfolgt werden.
Hinweis:
Die Polizei kann und darf eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. Ebenso kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn die Identität einer Person auf andere Weise nicht festgestellt werden kann.
Im Zusammenhang mit der Ingewahrsamnahme darf die Polizei gebotenenfalls auch das Mittel des unmittelbaren Zwangs anwenden, wozu insbesondere auch eine Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt gehört. Die Fixierung ist im Rahmen des unmittelbaren Zwangs grundsätzlich zulässig, soweit sie erfolgt, um dem geleisteten Widerstand zu begegnen, erforderlich ist und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.
Presseauskünfte:
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